CAPE RACE zwischen Bodø und Stavanger, 15.-25. April 2025 2 Teil Polarkreis

Teil 2: Polarkreis - Ålesund: Norwegenfahrt der CAPE RACE zwischen Bodö und Stavanger, Reise vom 15. - 25.04.2025, geschrieben von Andreas Umbreit, Expeditionsleiter


Vom ursprünglichen Plan, nach den Lofoten die Gletscherzunge Engabreen der Eiskappe des Svartisen etwas südlich des Polarkreises anzusteuern, nahmen wir Abstand: zum einen sagte der Wetterbericht dort den ganzen Tag über starken Regen voraus, sodass weder die umliegenden Berge während der Fahrt in und aus dem Fjord, noch der Gletscher selbst gut zu sehen gewesen wären – und außerdem warnte der Wetterbericht vor einer Sturmfront nach der anderen auf unserer folgenden Route. Zwar verläuft diese überwiegend im Schutz von vorgelagerten Inseln, aber 3-4mal werden wir auch auf offenere See hinaus müssen – und dafür sind etwas Zeitreserven nützlich, um diese Streckenabschnitte zu dann zu bewältigen, wenn es zwischen den Schlechtwetterfronten weniger schaukelt. Also machten wir gestern Nachmittag (17.04.) und die ganze Nacht über lieber Strecke und morgens waren wir eher zufällig genau vor der Gemeinde Alstahaug südlich von Mo i Rana und Sandnessjøen, wo wir von unserer Route aus an Land bereits das moderne Gebäude des Petter Dass Museums und die bis ins Jahr 1200 zurückgehende Steinkirche sowie den historischen Pfarrhof ausmachen konnten – und dies sogar bei trockenem Wetter.

Petter Dass ? Außerhalb Norwegen eher unbekannt, spielt dieser Pfarrer (1646 bis 1707, gestorben in seiner Pfarrgemeinde Alstahaug) für die norwegische Literatur und auch Geschichtsschreibung eine herausragende Rolle, da es in den knapp 500 Jahren dänischer Herrschaft über Norwegen kaum andere bedeutende Literaten im Lande gab, und schon gar nicht abseits der großen Städte. Aus seiner Feder stammen Kirchenlieder und religiöse Gedichte, vor allem aber sein Hauptwerk Nordlands Trompet (die Trompete des Nordlands), die eine ausführliche Beschreibung des Lebens und der Kultur der Bauern und Fischer im Landesteil Nordland im 17. Jahrhundert liefert. Das sich mit ihm beschäftigende, hier 2007 errichtete Musuem war so früh in der Saison zwar noch geschlossen, jedoch auch von außen ein spannend in den Felsrücken über dem Ufer eingefügtes modernes Bauwerk, mit starkem Kontrast zur unmittelbar daneben liegenden Dorfkirche in ihrem großen alten Friedhof mit interessanten Grabsteinen und dem zugehörigen jahrhundertealten Pfarrhof samt dessen Nebengebäuden. Von hier führte für die, die dies wollten, eine knapp 4 Kilometer lange Wanderung durch einen zauberhaften Birkenwald mehrere Jahrtausende tiefer in ferne Zeiten zum Kongshaugen (Königshügel), einem einsamen gewaltigen Grabhügel vermutlich aus der Bronzezeit mit einem auffälligen „Krater“ in seiner Mitte: da hier noch keine wissenschaftlichen Ausgrabungen erfolgten, ist unklar, ob diese tiefe Mulde auf eine eingestürzte große Grabkammer oder auf Raubgrabungen irgendwann in vergangenen Jahrhunderten zurück gehen.

Nachmittags stand die nahe Insel Rødøy auf dem Programm, wo die unentwegteren Wanderer einem kaum sichtbaren Pfad durch Felsen, Wald und Sumpf folgten, um zu einem der selten besuchten historischen Schätze Norwegens zu gelangen: einer von den eiszeitlichen Gletschern geschliffenen Felsplatte, auf der sich – nur schwach erkennbar - rund 4000 Jahre alte Felsritzungen vom Übergang der späten Jungsteinzeit zur Bronzezeit erhalten haben: verschiedene Tiere, vor allem aber der berühmte „Skiløper“ („Skiläufer“), der zwar den meisten Norwegern ein Begriff ist, den jedoch die wenigsten von ihnen tatsächlich auch in echt gesehen haben. Er diente bei der Winterolympiade 1994 in Lillehammer als Inspiration für die dort verwendeten Piktogramme, die alle in diesem jungsteinzeitlichen Stil gehalten wurden. Inzwischen geht die Forschung allerdings davon aus, dass die Zeichnung einen Paddler darstellt und folglich nicht die älteste Darstellung eines Skiläufers wäre. Diese Steinritzungen aus der späten Jungsteinzeit und der Bronzezeit sind ein so spannendes Thema, vor allem in Hinblick auf vorgeschichtliche Seefahrt, dass ich erwäge, hier im Blog einen eigenen Beitrag darüber zu einem späteren Zeitpunkt zu schreiben.
Auch an den folgenden Tagen wurde das Programm stark vom Umgehen stärkeren Seegangs geprägt und entsprechend sehr ad hoc geplant: mit einer kurzen Morgenlandung in einer kleinen Hafensiedlung Vingstad samt Wanderung zum benachbarten Sandstrand, und nachmittags dann etwas völlig anderes: über dem Örtchen Harbak ist schon aus der Ferne in der Felswand der riesige Eingang der in ihrem äußeren Teil kirchenschiffsgroßen Harbakshola (Harbakshöhle) zu sehen. Bis zu ihr hinauf stiegen durch sehr abwechslungsreiches Wald- und Felsgelände allerdings nur unsere unentwegteren Wanderer. Im Inneren teilt sie sich in zwei in die Finsternis führende Gänge, in denen die auf der CAPE RACE für ihre Gäste bereitgehaltenen Stirnlampen gute Dienste leisteten.

Am 20. 4. gelangen uns sogar drei Landungen: zum einen an dem ehemaligen Handelsplatz mit seinem Herrenhaus auf der Insel Magerøy, auf der immer wieder der umliegende märchenhafte Wald mit hellen Birken und dick bemoosten Steinen fasziniert. Nachmittags dann die Insel Edøy mit ihrer wechselhaften Geschichte von einem der in der Wikingerzeit bedeutendsten Höfe (erhalten ist nur die so weit zurück reichende kleine Steinkirche, mit Bodenradar wurde jedoch unter einem längst abgetragenen Grabhügel ein noch in der Erde verborgenes Wikingerschiff festgestellt, in dem wohl eine damalige hohe Persönlichkeit bestattet wurde), während ein modernes Freilichttheater am Anleger für Aufführungen eines an diese Zeit erinnernden Theaterstücks errichtet wurde. Direkt oberhalb der Ansiedlung als Kontrast die umfangreichen Betonreste einer deutschen Küstenartilleriestellung aus dem 2. Weltkrieg. Und weil das Wetter so schön war, entschlossen wir uns abends dann noch zu einer Picknicklandung mit Glühwein am Strand in der ein paar Kilometer weiter westlich gelegenen Bogabukta.

Schwerpunkt sind zwar eher die unbekannteren, kaum angesteuerten Orte, für deren Erreichen ein kleines Schiff wie die CAPE RACE ideal ist, aber zumindest eine größere Stadt sollte dann doch zwischendrin auf dieser Reise angelaufen werden, und so legte unser Expeditionsschiff am nächsten Tag in Ålesund an – einerseits ein wichtiges Regionalzentrum und bedeutender Fischereihafen, international aber eher berühmt durch die Folgen eines vernichtenden Stadtbrandes im Jahre 1904, der den norwegenbegeisterten deutschen Kaiser Wilhelm II. Veranlasste, den Wiederaufbau sehr großzügig auch mit Mitteln aus seiner Privatschatulle zu unterstützen, sodass die Altstadt im Jugendstil komplett neu errichtet wurde und auch heute noch eines der international bedeutendsten Ensembles dieses Baustils darstellt, nachdem ab den 1970er Jahren auf ihre Bewahrung Wert gelegt wurde. Als Kontrast dazu verewigte sich allerdings auch hier die Wehrmacht während des 2. Weltkrieges: der die Stadt überragende Aussichtsberg ist in seinem Inneren vom Stollensystem einer deutschen Kommandozentrale durchzogen und gekrönt von deutschen Bunkeranlagen.

Während des Nachmittags legten wir wieder ab – mit dem benachbarten Hjørundfjord als malerischem Bilderbuchziel, in dessen Ende es im Örtchen Øye (Norang) an Land ging. Von seiner entzückenden Lage abgesehen eigentlich kein sonderlich spannendes Dorf – würde dort nicht das Union Hotel stehen, das äußerlich weitgehend so erhalten ist, wie es 1891 als Erholungsoase für internationales zahlungskräftiges Publikum im sogenannten Drachenstil (an die Wikingerzeit erinnernd, jedoch mit allem Komfort) errichtet wurde. Zu seinen Gästen zählten unter anderem Amundsen und Sir Arthur Conan Doyle. Auch im Inneren wurde zwar modernisiert, der klassische Stil dabei jedoch sorgfältig bewahrt, und auch heute ist das Hotel ein Refugium für zahlungskräftigere Kundschaft mit Zimmerpreisen von knapp 400 €/Nacht aufwärts.
Bisher ist es uns also gelungen, trotz der teils rauhen Bedingungen draußen auf See ein ziemlich vielfältiges Programm hinzubekommen, mit vielen ungewöhnlichen Orten – wobei das trockene Wetter natürlich sehr hilfreich war.

So weit zu diesen mittleren Tagen unserer Fahrt entlang der Küsten Mittelnorwegens. Im nächsten Beitrag folgt dann der Schluss der Reise bis hinab nach Stavanger.





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