Diesen Blogbeitrag möchte ich einem Menschen widmen, der mich persönlich sowie gewiss unzählbar viele andere Leute als Fotograf tief im Herzen berührt, erschüttert und ergreift mit seinen so besonderen Bildern.
Sebastião Salgado war Brasilianer und ist am 23. Mai dieses Jahres, also erst vor wenigen Tagen, mit 81 Jahren gestorben. Er war ein weltweit anerkannter einzigartiger Fotograf. Ein Fotograf, dem es mit jedem seiner Bilder gelingt, den Betrachter wachzurütteln – für das fast schmerzhaft Schöne auf unserer Erde ebenso wie für unser menschliches Versagen als soziale Wesen in einer Welt des humanitären Elends. Seine Fotografien sind ein Appell, eine stille Provokation, eine schwarz-weiße Aufforderung an jeden einzelnen von uns. Zumindest empfinde ich das so, wenn ich mir eines seiner „Werke für die Ewigkeit“ ansehe.
Im Oktober 2019 hat Sebastião Salgado den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekommen. Er wurde geehrt für sein Werk als brasilianischer Fotograf, Fotoreporter, Umweltaktivist sowie im Speziellen für seine sozialdokumentarische Fotografie.
Sebastião Salgado wuchs im Hinterland Brasiliens im Bundesstaat Minas Gerais auf der Fazenda (= Farm) seiner Eltern auf. In São Paulo studierte er Wirtschaftswissenschaft und engagierte sich in der Widerstandsbewegung gegen die brasilianische Militärdiktatur. Zusammen mit seiner Frau emigrierte er schließlich 1969 nach Paris und begann ab 1971 eine Arbeitsstelle bei der ICO (Internationalen Kaffeeorganisation) in London. Im Auftrag seines Arbeitgebers und der Weltbank war er viel in afrikanischen Ländern unterwegs und begann dabei mit seinen ersten Fotoaufnahmen mit der Kamera seiner Frau. Die Fotografie zog ihn komplett in seinen Bann, so dass er 1973 beschloss, sich als Fotojournalist selbstständig zu machen. Er arbeitete für verschiedene Agenturen und entdeckte für sich bereits früh die Schwarz-Weiß-Fotografie als sein ausdrucksstarkes Medium. Er bereiste etliche Länder Europas, Afrikas und Lateinamerikas und dokumentierte mit seinen Fotos vor allem das Leben der Menschen der unteren Gesellschaftsschichten. Bei diversen Foto-Projekten fiel er durch seinen einzigartigen Blick für eindringliche Motive und besondere Kameraeinstellungen sowie Lichtkompositionen auf.
Weltweit berühmt wurde Sebastião Salgado mit seiner 1986 erstellten Fotoreportage über die brasilianische Goldmine Serra Pelada und die dort freiwillig wie im Mittelalter schuftenden Arbeiter. 1992 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Salgado hat zu seinen Lebzeiten über 120 Länder bereist und über 20 Naturvölker besucht. Von 2004 bis 2013 arbeitete er neun Jahre lang am sogenannten „Projekt Genesis“, wo er auf der Suche nach unberührten Landschaften weltweit deren Flora und Fauna fotografisch dokumentierte. Seine Frau Lélia Deluiz Wanick organisierte überwiegend die Ausstellungen und brachte nahezu alle seine Bücher heraus.
2013 zeigte das Natural History Museum in London eine Auswahl von 250 seiner Aufnahmen aus dem „Projekt Genesis“ und veröffentlichte gleichzeitig einen großformatigen Bildband. Diese absolut opulenten Fotografien führen uns die unvergleichliche Schönheit unserer Erde auf – und sind damit ein Apell, dass wir diese schützenswerten Orte unseres Planeten für kommende Generationen erhalten müssen.
Er beschreibt dies selbst so: "Ich wollte, dass alle sehen können, wie wunderschön die Erde ist. Wie wundervoll das Licht der Sonne ist. Was für eine Kraft in der Natur steckt. Und dass wir ein Teil davon sind. Unser größtes Problem ist, dass wir die Verbindung zur Natur verloren haben. So wie die meisten von uns in den riesigen Städten leben, macht es doch überhaupt keinen Unterschied mehr, ob wir auf der Erde leben oder auf dem Mond."
Sebastião Salgado hat gemeinsam mit seiner Frau das „Instituto Terra“ zur Wiederaufforstung von gerodeten Wäldern und zum Schutz der Natur gegründet. Auch die Kampagne der Menschenrechtsorganisation Survival International zum Schutz des indigenen Volks der Awá in Brasilien, die durch illegale Abholzung auf ihrem Gebiet bedroht sind, wurde von dem Ehepaar unterstützt. Auf dem Fazenda-Gelände seiner Familie ließen sie zweieinhalb Millionen Regenwaldbäume pflanzen und schenkten das Gelände dem brasilianischen Staat zur Einrichtung eines Nationalparks.
Zitat: "Am meisten gefährdet sind die indigenen Völker nah an der Küste. Ihr Land ist relativ leicht zugänglich. Hier schlummern gewaltige Schätze: Gold, Kupfer, Holz, das ist alles leicht auszubeuten. Unsere Zivilisation dringt in hoher Geschwindigkeit in diese Gebiete vor. Die Kultur der indigenen Völker im Flachland von Papua wird sehr bald zerstört sein… - …Die ganze Erde ist in Gefahr. Wegen uns. Immer geben wir irgendwelchen Regierungen oder Firmen die Schuld daran. Wir sollten mal damit anfangen, mit dem Finger auf uns selbst zu zeigen. Die Erde wird zerstört, weil jeder einzelne von uns zu viel verbraucht."
Sebastião Salgado war ein Visionär und ein Wachrüttler gleichermaßen. Nun ist er gestorben. Was uns bleibt, sind seine unverwechselbaren Bilder – und wenn wir diese in Ruhe betrachten, bleibt seine Botschaft lebendig.
Kennen Sie Fotografien von Sebastião Salgado? – Wenn nicht, dann kann ich Sie nur dazu ermuntern, einmal einzutauchen in seine ausdrucksstarke Welt aus Schwarz-Weiß.
Uns als Liebende des Reisens sowie Erkundens fremder Naturlandschaften und Kulturen ziehen seine fotografischen Werke in seinen Bann. Mich jedenfalls.
Ihnen wünsche ich eine achtsame Zeit bis zum nächsten Mal
Martina Ehrlich