Vom Kontinent des Kolibris 91 – Kupferglück

Chuquicamata – welch ein Zungenbrecher.

„Chuqui“ bedeutet in der Sprache der Aymara so viel wie „kupferfarben“. Es gibt in den Anden Südamerikas einen etwas stacheligen, etwa einen Meter hohen Strauch mit kupferfarbenen Blüten, der „Chuquiraga“ heißt und den Aymara heilig war.

Und die Aymara haben in Nordchile nahe der heutigen Stadt Calama bereits Kupfer aus einfachsten Minen geschürft und den Ort daher Chuquicamata genannt. Dies belegt ein Fund nordamerikanischer Erzsucher aus dem Jahre 1899, als diese Berichten zufolge bei ihrer Suche in einer alten Grube auf den Leichnam eines offensichtlich verunglückten Bergmanns mit seinen Werkzeugen stießen. Es wurden Fotos mit der Mumie gemacht, die um die Welt gingen. Bei weiteren Grabungen fand man rund um die Oasenstadt San Pedro de Atacama kleine Schmelztiegel mit Kupferbarren sowie Werkzeuge wie Kupferbeile, die auf über 2000 Jahre datiert werden.

Aus den einfachen Gruben der Aymara und den vorsichtigen Anfängen der Konquistadoren ab 1899 entstand schließlich das größte Kupferbergwerk der Welt! 1911 kamen aus den USA die Guggenheim-Brüder mit ihrem Kapital, Schienenverbindungen sowie der Bau des Panamakanals eröffneten neue Chancen. Am 18.05.1915 verließ der erste Kupferbarren die Mine von „Chuqui“. Ab 1930 waren rund 80 % des chilenischen Kupfers in ausländischer Hand. Mitte der 60er Jahre erreichte der Kupferpreis an der Londoner Metallbörse sein Höchstniveau von 167 Dollarcent pro Pfund, wobei Chile selbst davon wenig profitierte wegen der ausländischen Eigentümer.

1969 sicherte sich Chile die Verfügungsgewalt über das Kupfer, 51 % der Aktien gingen in chilenischen Besitz über. Unter Präsident Allende werden die Minen schließlich verstaatlicht und gehören heute zur CODELCO (Corporación Nacional del Cobre). Der letzte US-Ingenieur verließ 1971 die Mine von Chuquicamata. 1973 nach dem Putsch des Militärs unter Pinochet wurden die US-Unternehmen ausbezahlt.

Von 1915 bis 2019 wurde die Lagerstätte Chuquicamata im Tagebau ausgebeutet. Bei etwa 1.100 Metern Tiefe war dann die Grenze der wirtschaftlichen Abbauführung im Tagebaubetrieb erreicht. Die tieferen Lagerstättenteile werden daher aktuell im Tiefbau gewonnen.

„Chuqui“ liegt etwa 1.650 Kilometer nördlich von Chiles Hauptstadt Santiago in der nordchilenischen Region Antofagasta mitten in der Atacamawüste. Die Region Atacama zählt zu den trockensten Orten der Welt, die jährliche Niederschlagsmenge liegt im Durchschnitt zwischen 0,6 und 2,1 Millimeter. Die Wasserversorgung ist durch gewaltige Rohre von den Anden herab gesichert, die allerdings den kleinen Siedlungen des Hochlandes und des Andenvorlandes ihr Wasser nehmen.

Die Energieversorgung der Mine erfolgt über ein Gaskraftwerk in der 140 Kilometer entfernten, am Meer liegenden Stadt Tocopilla. In der Stadt Calama werden den Bewohnern keinerlei Stromkosten berechnet, da der Verbrauch im Vergleich zum Stromverbrauch der Mine verschwindend gering ist.

Die Arbeiter der Mine verdienen für chilenische Verhältnisse viel. Höchstlohn erhalten die Truck-Fahrer. Minenarbeiter von Chuquicamata gelten als Elite in der Arbeitswelt Chiles. Gearbeitet wird rund um die Uhr in drei Schichten ohne Unterbrechung jahrein jahraus. Die angebotene Gesundheitsversorgung für die Minenarbeiter soll eine der besten Chiles sein. Unbestritten ist jedoch, dass sie großen Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind, zum Beispiel durch giftige Dämpfe aus Schwefeldioxid sowie Arsen.

Der zur Mine einst zugehörige Ort Chuquicamata lag auf 2.870 Metern über dem Meeresspiegel und etwa15 Kilometer von der heute ca. 160.000 Einwohner zählenden Stadt Calama entfernt. Ab 2003 mussten alle Einwohner der Stadt Chuquicamata – etwa 3.000 Familien, bzw. 15.000 Personen – in neue Wohngebiete nach Calama umgesiedelt werden. Die Mine wurde ausgeweitet und brauchte mehr Fläche für die entstehenden riesigen Abraumhalden. Die Umsiedlung verursachte Kosten von etwa 200 Millionen US-Dollar! Große Teile der ehemaligen Bergbaustadt Chuquicamata sind heute bereits überschüttet.

Auch aus gesundheitspolitischen Gründen wurde die Minensiedlung aufgelöst, denn in unmittelbarer Nähe zur Mine ist die Luftverschmutzung extrem hoch, der Boden ist verseucht. Es gibt keine verwertbaren Statistiken zur durchschnittlichen Lebenserwartung der Arbeiterfamilien, da viele nach einigen Jahren Arbeit in der Mine wieder in ihre Heimatregion umziehen und so nicht mehr erfasst werden. Angaben zufolge liegt die Zahl der Lungenkrebstoten in der sogenannten 2. Region Chiles an erster Stelle und die Zahl der Menschen mit chronischer Bronchitis nahe der Kupferschmelze von Chuquicamata zehnmal höher als im sonstigen Durchschnitt Chiles.

Berichten zufolge verbrauchen die Bergbauaktivitäten in der Region Antofagasta um die 70 % des gesamten Wassers der Region. Der Großteil wird dabei für die Aufbereitung und Raffination der Erze verwendet. Bisher machen der Bergbau und die zugehörigen Industrien etwa 20 % des gesamten chilenischen Wasserbedarfs aus.

Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen in US-Dollar ist Chile das reichste Land Lateinamerikas, was viel damit zu tun hat, dass das Land über die größten bekannten Kupfervorkommen der Welt (ca. 40 %)
verfügt und nach wie vor weltgrößter Kupferexporteur ist.

Bis zum nächsten Blogbeitrag grüße ich Sie herzlich mit der „unschuldigen Blüte der Chuquiraga“

Martina Ehrlich


 

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