In nur wenigen Wochen darf ich wieder mit einer kleinen Leguan-Reisegruppe unterwegs sein in einer meiner liebsten Ecken der Erde.
Patagonien lockt mit ungebändigten Naturlandschaften diesseits und jenseits der zerklüfteten Anden, mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt und einem Himmel so weit, dass man sich darin verlieren möchte. Mich persönlich hat diese Region „gepackt“ seit meinem ersten Besuch dort und ich freue mich auf etliche Besonderheiten im „Land des Mate“. Mate zum Beispiel ist ein bitteres Getränk, dass allerorten aus Holz- oder Kalebassenbechern mit einem kleinen Metallröhrchen (der sogenannten Bombilla) langsam und heiß getrunken, ja regelrecht zelebriert wird. Mate ist das Lebenselixier der Menschen Patagoniens – nicht in gemütlichen Cafébars beim Plausch mit anderen Gästen, sondern draußen auf dem Pferd bei der Suche nach den Schafen oder am abendlichen Feuer beim gemeinsamen Schweigen, wenn die Tagesarbeit geschafft ist. Mate ist stärker als Kaffee, schmeckt rau und bitter und nach hartem Leben. Es ist das Getränk der Gauchos – der Landarbeiter – auf den Estancias – den Farmen, die sich in der scheinbar unendlichen Weite der Pampa oder vor den mächtigen Bergkulissen oft unscheinbar und klein an den Boden ducken. Man nimmt sich selbst nicht so wichtig in einem Land, in dem das Wetter mit seinen Stürmen toben kann, dass man sich kaum mehr auf den Beinen hält; oder in dem der Regen die Staubpisten innerhalb von kürzester Zeit in schlammige Schmierseifenwege verwandelt, die auch mit 4x4-Fahrzeugen kaum mehr passierbar sind. Rau und den natürlichen Gegebenheiten untergeordnet ist das Leben der Menschen hier, bitter und stark schmeckt der Mate.
Ich freue mich auf Mate. Mate kann man nicht bestellen, sondern man wird nach gewonnenem Vertrauen von seinem Gegenüber eingeladen. Man bekommt den persönlichen Becher ohne Worte entgegengehalten und benutzt dieselbe Bombilla. Mate – das sind Blätter einer Stechpalmenart aus nördlicheren Gegenden, die getrocknet und zerkleinert wurden – wird immer wieder mit sehr heißem Wasser aus einer Thermoskanne aufgegossen und vorsichtig in kleinen Schlucken zu sich genommen. Eine Mate-Einladung wird nicht abgelehnt, sie ist eine Ehre. Sie ist eine der kleinen Begebenheiten am Rande der spektakulären Ziele, weshalb man in der Regel in diese Gegend kommt.
Spektakulär sind die Bergmassive und Steintürme aus hellem Granit und dunklem Schiefer, sind Küstenabschnitte voller Leben mit riesigen Pinguinkolonien, Glattwalen, Orcas, Seevögeln, See-Elefanten und Seelöwen, sind Guanakos, Pampashasen, Gürteltiere, Flamingos und Füchse in der weiten Ebene sowie der erhabene Andenkondor am Firmament. In dieser gewaltigen Landschaft muss man sich als Betrachter zwischen dem Riesigen und dem Winzigen entscheiden… Wenn wir nun im patagonischen Frühling unterwegs sein werden, leuchten einzelne Polsterpflanzen mit knallig bunten Miniblüten in der öden Pampa in Gelb, Rot, Pink, Blau usw. und bilden willkommene, fast kitschige Farbtupfer.
Patagonien beeindruckt durch seine Vielfalt an außergewöhnlichen Landschaftsformen. Da gibt es weitläufige Südbuchenwälder mit zum Teil sturmgekrümmten knorzigen Bäumen; offene Grassteppen, die der Wind zum Singen bringt; imposante Gebirgsformationen, die massive Gletschermassen tragen – das sogenannte Patagonische Inlandeis. Und allein diese Gletschermassen, die westlich bis hinab ins pazifische Meer fließen und östlich Seen oder Berglagunen durch ihr Gletscherwasser mit herrlichsten Farben verzaubern – ja, sie sind seeehr spektakulär.
So vielfältig war die patagonische Natur, wie sie sich uns heute zeigt, nicht immer: Die patagonischen Eisfelder im Westen der Südspitze Südamerikas erstrecken sich heute als kompakte Gletscherflächen über Hunderte von Kilometern entlang der Anden. Man unterscheidet dabei das nördliche und das südliche patagonische Eisfeld mit insgesamt etwa 17.000 Quadratkilometern Eisfläche! Sie sind jedoch „nur“ Relikte von Eiszeiten mit sehr viel größerer Ausdehnung.
Die bedeutendste Eiszeit in Patagonien war vor 1 Million Jahren, als sich das Eis in großen Zungen von den Anden bis etwa 200 Kilometer nach Osten geschoben hatte. Im äußersten Süden wurde der Kontinent sogar komplett bedeckt und damit die heutige Atlantikküste erreicht. Ebenfalls vom Eis bedeckt war die Magellanstraße sowie fast das gesamte Feuerlandarchipel. Neueste wissenschaftliche Studien haben herausgefunden, dass das Vorrücken und Zurückweichen der südamerikanischen Gletscher in den vergangenen 120.000 Jahren vor allem durch Veränderungen der sommerlichen Sonneneinstrahlung und Sommerdauer beeinflusst wurden und ähnlich den Veränderungen der Erdneigung einem regelmäßigen Zyklus folgen. Der Studie zufolge wirkte sich die letzte Eiszeit insbesondere auf Nordamerika, Nordeuropa sowie auf Patagonien aus, denn alle waren von gigantischen Eisschilden bedeckt, die nach der Eiszeit wieder verschwanden.
Versteinerte Baumstämme und Zapfen riesiger Araukarien, die der Wind über Jahrmillionen wieder freigelegt hat und die in der patagonischen Steppe wie Skulpturen zu bewundern sind, berichten hingegen von milderen Klimazeiten…
Patagonien ist wie ein Mythos – Fluch und Segen für uns Menschen zugleich. Dort dauerhaft zu leben, ist eine echte Herausforderung, denn die Winter sind lang und das Klima ist hart. In solch eine noch vor Kurzem völlig unbekannte und abgeschiedene Gegend zieht es Menschen mit großem Mut oder aber aus großer Not – auf alle Fälle sehr besondere Persönlichkeiten mit spannenden Lebensgeschichten. Niemand sonst hat diese teilweise schrägen Charaktere so gut eingefangen wie Bruce Chatwin in seinem Buch „In Patagonien“ – ein absoluter Tipp.
Persönlich bin ich voller Vorfreude auf „mein Patagonien“ – bin gespannt auf die Tiere an der Atlantikküste, hoffe auf freie Sicht auf „meinen“ Lieblingsberg Fitz Roy und auf die herrlichen Gletscherwände im Los Glaciares-Nationalpark. Ich strahle den Begegnungen mit ein paar lieben Freunden entgegen und hoffe inständig, dass das Wetter keine allzu großen Kapriolen schlägt. Denn eins ist klar – auch wenn es mittlerweile viel mehr Besucher gibt und etliche Straßen ausgebaut wurden: Patagonien bleibt ein unberechenbares, wildes Naturgebiet, das uns Menschen zeigen kann, wie klein wir sind. Wenn es aus Kübeln gießt oder der Sturm jede Aktivität zunichtemacht, dann heißt es „demütig warten und Mate trinken“, bis wir wieder eingeladen sind, die spektakuläre Region zu entdecken…
Wie es unserer Leguan-Reisegruppe in Patagonien ergeht, können Sie auf unserem Instagram- oder Facebook-Account miterleben.
Bis dahin „con muchos saludos“
Martina Ehrlich