Nach einer Woche von Hamburg her mit nahezu
durchgehend wolkenfreiem Himmel und Frühlingsstimmung deuteten die
Wetterberichte auf einen erheblichen Wetterumschwung hin, weshalb ich auf
unserer Route in Richtung Polarkreis auf ein paar größere Tagesetappen Wert
legte, um mehr Zeitreserven zum Umgehen allzu unangenehmer Bedingungen zu
gewinnen. Und ein Dramaturg hätte den Wetterumschwung nicht perfekter planen
können: in den frühen Morgenstunden des 9. Aprils querte die CAPE RACE den
Polarkreis auf und statt Frühlingsatmosphäre erwachten wir in Seegang und einer
bis zu den Ufern hinab verschneiten Winterwelt, auf dem Weg zur Engabreenzunge
des Svartisen, dem einzigen auf unserer Route zumindest gut sichtbaren
Gletscher. Im Fjordinneren wurde es ruhiger, Sonne und Schneeschauer wechselten
sich ab und gaben dank hoher Wolkenuntergrenze tatsächlich immer wieder den
Blick auf die Gletscherzunge frei, die mit dem Eisblau ihrer zahlreichen
Spalten und dem Weiß des Neuschnees einen faszinierenden Anblick bot. Unsere Wanderer
marschierten bis auf den Moränenrücken des vorgelagerten Gletschersees, um
einen noch besseren Blick auf See und Gletscher zu erhaschen. Anschließend kam
die Forschungsausrüstung der CAPE RACE zum Einsatz: Nehmen von Wasserproben für
Messung von Salinität und Temperatur, Planktonproben zum Betrachten und
Bestimmen unter dem Mikroskop. Spät nachmittags und die Nacht hindurch nutzten
wir eine Lücke in den Wellen schlechten Wetters draußen auf offenerer See, um
den Sprung über die riesig breite Öffnung des Ofotenfjords hinüber zu den
Lofoten zu wagen, wo wir einen vollen Tag erst im Postkartenmotivort Reine, und
dann für eine Wanderung vom innersten Reinefjord verbrachten, auch hier
begleitet vom ständigen Wechsel aus über uns hinwegziehenden Schneeschauern und
Sonnendurchbrüchen, was für spannenden Lichtwechsel sorgte.
Abends passierten wir bereits Bodø, wo wir
morgen, am 14. 4., ankommen wollen, allerdings vorher noch hoffentlich mit
einem Abstecher zu den etwas südlich davon gelegenen wilden Strudeln des
Gezeitenstroms Saltstraumen, sofern dies morgen das Wetter zulässt, das
erstmalig auf dieser Reise eine wenig einladende Kombination aus Regen und sich
zu Sturm entwickelndem Wind vorhersagt. Gegebenenfalls haben wir sonst mehr
Zeit für Bodø, wo sich mehrere Teilnehmer schon auf das dortige bekannte
Luftfahrtmuseum freuen, bevor diese Reise dort dann am Dienstag endet.
Unterstützt von Wetterglück und einer opportunistisch-spontanen Reiseplanung
von Tag zu Tag hat sich die norwegische Küste von ihrer besten Seite für ein
Erleben dieser grandiosen Gegend gezeigt - und die CAPE RACE wieder einmal als
ideales Schiff, um komfortabel Plätze anzusteuern, die der Massentourismus
entlang dieser Küste zumindest zu dieser Jahreszeit ignoriert. Sieht man von
Henningsvær gestern ab, haben wir seit Verlassen Hamburgs insgesamt bisher noch
nicht einmal 100 andere Touristen getroffen, phantastische Orte wie die
abgelegene Inselsiedlung Grip oder die imposante Klosterruine Selja hatten wir
sogar völlig ohne andere Reisende nur für uns. Die Mehrzahl unserer Teilnehmer
war schon früher in Norwegen, sei es per Hurtigruten, Bahn oder Auto - aber die
Küstenperspektive mit der CAPE RACE abseits des Massentourismus war auch für
sie fast vollständig neu und immer wieder überraschend.
Grüße von nördlich des Polarkreises,
Expedition Leader Andreas Umbreit